Dienstag, 8. September 2015

Bright Canopy: Infos aus dem Inworld-Treffen

Quelle: Bright Canopy
Am Samstag, den 5. September 2015, gab es in Second Life eine Informationsveranstaltung von Bright Canopy, bei der zum einen kurz erklärt wurde, warum der SL Streaming Dienst nach dem Start gleich wieder abgeschaltet wurde und zum anderen, wie es nun weitergehen soll.

Noch mal zur Erinnerung: Am 29. August 2015 startete Bright Canopy offiziell seinen Service, über den Second Life auf Cloud-Servern gerendert und samt Viewer an die Kunden gestreamt wird. Mit diesem Dienst kann man SL in höchster Qualität auch auf schwachen PCs und mobilen Geräten in einem Browser laufen lassen. Das Ganze sollte zu Beginn 17 US$ im Monat bei unbegrenzter Nutzng kosten.

Bereits nach zwei Tagen musste der Dienst seinen Betrieb wieder einstellen. Bestehende Accounts wurden gelöscht, Neuanmeldungen wurden blockiert (aktuell immer noch) und der 17 Dollar-Tarif sollte nur noch für 20 Stunden gelten, anstatt unbegrenzt. Alles in allem, ein klassischer Fehlstart.

Hier nun die relevanten Aussagen aus dem Meeting vom 5. September:

Was bisher geschah
Nach dem Ende von SL Go hatte Chaos Priestman (im RL: Bill Glover) die Idee, einen neuen Stream-Service für Second Life zu starten, da es ein sichlbares Interesse der Nutzer gab. Die geschlossene Beta mit einigen eingeladenen Nutzern lief gut, was das Interesse an dem Dienst weiter erhöhte. In der darauf folgenden Vorstartphase wurde dann an den Bezahloptionen gearbeitet und letzte Fehler wurden behoben. Auch das funktionierte ohne Probleme.

Der Preis für den Dienst, der dann beim offiziellen Start gültig war, wurde so ermittelt, dass man einmal die laufenden Kosten tragen konnte und zum anderen etwas übrig bleiben sollte, damit man Leute für Entwicklung und Support des Dienstes einstellen könnte. Zu den laufenden Kosten gehört auch der Tarif von Serverbetreiber Frame, dessen Cloud-Server an drei verschiedenen Standorten (Kalifornien, Virginia, Irland) von Bright Canopy genutzt werden.

Frame nutzt für das Cloud-Streaming die Amazon Elastic Compute Cloud (EC2) mit sogenannten g2.2xlarge Instanzen. Dabei nutzt jeder Bright Canopy Kunde eine dieser Instanzen für seinen persönlichen Stream. Die Kalkulation für Bright Canopys Geschäftsmodell beruhte auf den Kosten für diese Instanzen, die bis vor kurzem noch zwischen 0,12 und 0,25 US$ pro Stunde betrugen.

Seit 1. August gab es dann aber Kostensprünge an allen drei Serverstandorten. Häufig ging der Stundenpreis auf über 1,00 US$ und als Spitzenwert sogar bis auf 8,00 US$ hoch. Damit war das Geschäftsmodell von Bright Canopy nicht mehr durchführbar. Hier mal eines der drei Diagramme, die Bill Glover auf der Veranstaltung zeigte und die auch im Blogpost zum Quellenlink eingebettet sind. Die gelben Balken stellen die unvorhergesehenen Preissprünge dar, die rote Linie den Durchschnittswert der Kosten pro Stunde (hier beim Standort Irland):

Kostendiagramm für g2.2xlarge Instanzen in Irland. Ausschläge bis max. 4 US$ pro Stunde / Quelle: Bright Canopy

Da Bill und Jerri Glover hofften, dass diese Spitzen nur ein vorübergehendes Ereignis wären, brachten sie am 29. August ihrem Dienst trotzdem an den Start, jedoch mit einem anderen "On-Demand"-Tarif von Frame, der generell 0,80 US$ pro Stunde kostet. Damit machen die Bright Canopy Betreiber zwar Verlust, aber sie waren der Ansicht, das so lange überbrücken zu können, bis der g2.2xlarge-Tarif wieder auf die üblichen 0,25 US$ fallen würde. Doch direkt nach dem Start nutzten dann so viele Leute den Dienst und zusätzlich mit wesentlich längeren Login-Zeiten als bei der Beta, dass den Betreibern schnell klar wurde, dass sie die Mehrkosten nicht decken konnten. Und so fiel die Entscheidung, den Stecker von Bright Canopy zu ziehen.

Wie es weitergeht
Inzwischen sind die Preise für die g2.2xlarge-Instanzen in den USA wieder auf das kalkulierte Level runtergegangen, jedoch nicht in Irland. Zudem gibt es keine Garantie, dass sie jetzt auch stabil bleiben. Deshalb, und auch weil das Nutzerverhalten der Bright Canopy Kunden nach dem Start intensiver gewesen ist als kalkuliert, ist nun auch der neue, angepasste Tarif für Bright Canopy, der erst am 31. August vorgestellt wurde, für die Betreiber nicht mehr tragbar.

Man hat nun mit Frame zusammen einen Tarif ausgehandelt, den man zunächst nur einer begrenzten Anzahl von Nutzern anbieten möchte. Bill Glover nennt es einen "Notfallplan". Wie dieser neue Tarif aussehen soll, wurde auf der Veranstaltung nicht gesagt. Als Nutzer sollen diejenigen ein Angebot erhalten, die es "am dringensten benötigen". Sowohl Frame als auch die Glovers, verdienen mit dieser Notlösung (nach eigener Aussage) erst einmal nichts.

(Anm.: Ich bin jetzt selbst kein potentieller Kunde von Bright Canopy, aber ich finde das gesamte Vorgehen der Bright Canopy Betreiber ziemlich laienhaft. So kann man eine Produkt, bei dem einmal weltweit Kunden mittels Kreditkarte oder PayPal eine Dienstleistung bezahlen sollen, einfach nicht aufziehen. Ich bin jetzt mal gespannt, ob nach diesem schrägen Hin und Her noch genug Leute dabei bleiben, damit dieser Dienst überleben wird. Wenn nicht, ist es schade um eine ansich gute Idee).

Fragen der Besucher an die Betreiber

Wurden durch die vielen Nutzer beim Start die Betriebskosten nicht günstiger?
Nein, mit den aktuellen Preisen für Instanzen zahlt Bright Canopy für jeden Nutzer drauf.

Gibt es eine Möglichkeit, Serverzeiten im Voraus nur für bestimmte Tage oder Uhrzeiten zu kaufen und damit den Zugang günstiger zu machen?
Eine interessante Idee. Wir werden das aufnehmen und prüfen.

Kitely hat doch auch ein Geschäftsmodell mit einem monatlichen Tarif und es funktionert. Könnt ihr das nicht übernehmen?
Nein, Simulator-Server und Streaming-Server mit Hochleistungsgrafikkarte, sind zwei verschiedene Dinge. Wir hoffen, dass Cloud-Streaming in Zukunft aber generell günstiger wird.

Könnt ihr nicht auch andere Serveranbieter nutzen oder eigene Server verwenden?
Andere Anbieter mit dieser Leistung gibt es noch nicht sehr viele. Das soll sich 2016 aber verbessern. Eigene Server sind langfristig wahrscheinlich günstiger, aber die hohen Anschaffungskosten können von Bright Canopy nicht gestemmt werden.

Hat Linden Lab seine Unterstützung angeboten?
Sie waren offen für Gespräche und Support, aber wir haben bisher noch keine konkreten Gespräche geführt.

Wäre nicht ein Kickstarter Crowdfunding ein Weg, um eigene Serverzentren für Bright Canopy zu errichten?
Wir haben es in Erwägung gezogen, aber wir wollen alle Funktionen nutzen, die Frame heute anbietet und dazu gehört viel mehr als nur eine Serverfarm.

Könnt ihr schon sagen, ab wann wieder Anmeldungen für Bright Canopy möglich sind?
Nein, wir wollen nicht erneut etwas ankündigen, das wir nicht halten können. Wir müssen beim nächsten Mal sicher sein, dass es Bestand hat.

Quelle: Community Meeting Transcript

Links:

8 Kommentare:

  1. So wie ich das überblicke, ist hier wohl etwas zu blauäugig herangegangen worden. Man sollte immer eine Marge einplanen, sozusagen einen Puffer.

    Die Niki

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  2. also wenn ich das richtig verstehe macht in dem Fall Kleinvieh auch Mist,der aber zu immer höheren Preisen führt sprich,je mehr Nutzer desto teurer wird es für den Einzelnen
    dann wird das ganze wohl ein Nischenprodukt für Leute,die auch auf dem Smartphone die ultimative SL Grafik wollen
    andernfalls kann ich mir über den Daumen gepeilt für diese anfallenden Kosten auch gleich einen guten PC kaufen um SL in bester Qualität zu nutzen

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    1. Bright Canopy nutzt halt die Hardware von einem Drittanbieter. Und wenn die an der Preisschraube drehen, kann Bright Canopy nicht viel machen. Einen Tarif für den Endkunden zu berechnen, der sich auf die instabilen Preise von diesem Drittanbieter stützt, ist mit viel Risiko behaftet.

      Entweder fängt man in so einem Fall mit einem maßlos überteuerten Tarif für den Endkunden an und nähert sich dann langsam einem gesunden Mittelwert, oder man lässt die Kunden genau das bezahlen, was von den Drittanbietern durch Schwankungen an Kosten entsteht. Den angebotenen Dienst aber mehrfach abzuschalten und die Kundenkonten mit den alten Verträgen zu löschen, ist hoch unprofessionell und könnte in anderen Ländern als den USA sogar rechtliche Konsequenzen haben.

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  3. Ich frage mich ernsthaft wieso sie nicht die Server direkt von Amazon mieten. Das ist an und für sich überhaupt kein Problem. Alles was man dafür benötigt ist ein Amazon-Account und eine Kreditkarte.
    Fra.me macht auch nichts anderes.

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    1. Frame macht schon nocht etwas mehr. Zum Beispiel wird die Viewer-Oberfläche mitgestreamt, so dass man SL in einem Browser nutzen kann. Dazu wird ein Webinterface benötigt, das alle Nutzereingaben an den Server weiterleitet. Ich wüsste nicht, wie man das als Privatnutzer umsetzen könnte.

      Ein weiteres Problem ist das SL-Login. Man loggt sich ja nicht auf dem Cloud-Server ein, von dem aus SL gestreamt wird, sondern Benutzername und Passwort müssen von dort durchgereicht werden zu den Servern von Linden Lab. Dazu ist ein zusätzlicher Dienst notwendig.

      Und schließlich verwendet Frame ein große Anzahl von Servern, nicht nur von Amazon, sondern auch von Google und Microsoft. Damit können die eine viel höhere Verfügbarkeit garantieren als wenn man sich einen einzelnen Server bei Amazon mietet.

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  4. Dafür werden ebenfalls kommerzielle Schnittstellen verwendet (z.B. Citrix), die man auch direkt lizensieren könnte, ohne den Umweg über Fra.me, wenn man jemanden im Team hat, der ein wenig Ahnung von Technik hat.
    Bright Canopy sind keine "Privatnutzer". Meine Frage bezog sich darauf, wieso Bright Canopy Fra.me nutzt, was sich eher an Privatanwender richtet.

    Man kann die entsprechenden Serverkapazitäten auch direkt mieten, bei AWS ist bei einem entsprechenden Server auch schon alles dabei, inklusive Softwarelizenzen und NVIDIA Grid. Ich hab mir das damals angesehen, als die Fra.me Beta gestartet ist. AWS ist ziemlich günstig, und die Preise sind stabil.

    Alles was man noch braucht ist ein Admin (nicht mal Programmierer), der die entsprechenden Schnittstellen einrichtet. Benutzername und Passwort sollten nicht an fremde Dienste wie Bright Canopy übergeben werden, sondern die sollte man direkt im Webinterface in den SL Viewer eingeben (ich bin nicht sicher wie du das gemeint hast). Und selbst wenn man das möchte, kann man das mit Start-Parametern machen (im SL Viewer müsste man die entsprechenden Funktionen wieder einbauen und den Viewer selbst neu kompilieren, da das vor längerer Zeit aus dem Code genommen wurde m.W., aber TPVs hingegen unterstützen das noch).

    Remoteanwendungen sind heutzutage nichts besonderes mehr, es gibt massenhaft Admins die sich damit auskennen, und das entsprechend einrichten können.

    Mir gefällt es nicht, dass diese Macher von Bright Canopy auf den Mittelsmann "Fra.me" angewiesen sind. Das macht für mich nicht gerade einen professionellen Eindruck.
    Auch die Mißkalkulation und plötzliche vorübergehende Einstellung des Dienstes, über die du hier berichtet hast, verbessert diesen Eindruck nicht.
    Fra.me richtet sich wie schon erwähnt eher an Privatnutzer. Das macht die Sache für mich fragwürdig. Du kaufst ja auch deine 100kg Mehl-Säcke als professioneller Bäcker nicht im Einzelhandeldiskonter, sondern gehst zu einem Großhändler?!

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    1. ...wenn man jemanden im Team hat, der ein wenig Ahnung von Technik hat.

      Genau das hat Bright Canopy nicht. Diese "Firma" besteht aus zwei alteingesessenen SL-Nutzern, die nach dem Ende von SL Go (OnLive) einfach ohne große Planung diesen Dienst gestartet haben. Der einzige erfahrene Mensch im Umfeld von Bright Canopy ist ein Mitarbeiter von Frame, der den beiden in etwa erzählt, was möglich ist. Und der wird kaum den Vorschlag machen, dass die zwei von Bright Canopy doch ihre eigenen Server betreiben sollen (zumal die das auch in keinster Weise drauf hätten.)

      Wenn das alles so einfach wäre, wie du es darstellst, wieso bietet dann nicht zum Beispiel Linden Lab selbst ein gestreamtes SL an?

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    2. Aus mehreren Gründen:
      Zuallererst weil sie nicht doof sind :) Weil sie gelernt haben (z.B. durch OnLive und ihre eigenen Versuche früher - Linden Lab *HAT* das ja tatsächlich eine Zeit lang versucht), dass die User dafür nicht genug zahlen würden, um das profitabel zu machen.
      Außerdem haben sie schon vor Monaten die Key-Entwickler alle zu Project Sansar abgezogen, und die verbliebenen Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun, SL so wie es jetzt ist am Laufen zu halten.
      Und es ist auch einfach nicht ihr Geschäftsbereich, und die Konkurrenz (z.B. durch Fra.me selbst, denn man kann sich ja total unkompliziert selbst SL für Fra.me einrichten, das habe ich innerhalb von Minuten alleine hinbekommen) ist zu stark.

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