Mittwoch, 8. Mai 2019

High Fidelity entlässt 25% seiner Mitarbeiter

Quelle: High Fidelity / Facebook
Vor etwa einem Monat hatte ich hier darüber berichtet, dass die Betreiber der virtuellen VR-Welt High Fidelity eine Neuausrichtung ihrer Plattform gestartet haben.

Eigene Regionen (in HiFi "Domains" genannt) wurden direkt geschlossen und die Entwicklung der Plattform sollte sich in Zukunft nicht mehr zentral auf VR-Brillen konzentrieren, sondern auch den normalen Desktop PC Nutzer stärker einbeziehen.

Am 7. Mai hat nun Philip Rosedale im hauseigenen Firmen-Blog eine weitere signifikante Änderung angekündigt. Zunächst erzählt er, was er unter dem "Metaverse" versteht. Ein riesiges Gebilde aus miteinander verbundenen, virtuellen 3D-Räumen, in denen fantastische Avatare ihrem RL-Beruf nachgehen, Schulen besuchen, ihre Freizeit verbringen und sich von anderen unterhalten lassen.

Dann zählt Philip auf, was er mit seiner Firma in den letzten sechs Jahren alles entwickelt hat. Darunter eine wirklich gute 3D-Audio Engine, eine auf Blockchain basierende virtuelle Währung, eine Open Source Grafik Engine, skalierbare Server, einen Marketplace und noch einiges mehr.

Doch nun sei er zu der Erkenntnis gekommen, dass man für eine VR-Welt im Sinne des "Metaverse" noch ein paar Jahre warten müsse. Die aktuellen VR-Brillen wären nicht komfortabel genug, um sie längere Zeit am Stück tragen zu können. Und es gäbe immer noch keinen Weg, damit vernünftig Textnachrichten zu schreiben und zu lesen.

Eigentlich dachte Philip als er HiFi startete, dass man 2019 schon soweit wäre, dass Millionen von Nutzern täglich mit einer VR-Brille in virtuellen Welten unterwegs wären. Aber es sind aktuell nur einige Zehntausend (alle VR-Welten zusammengezählt; HiFi selbst hat aktuell nur 2.573 aktive Nutzer). Philip gesteht sich in seinem Artikel ein, dass er da mit seiner Annahme falsch gelegen hat.

Und so will er nun etwas Neues ausprobieren. Als Test wurden alle Mitarbeiter aus den beiden HiFi-Büros in San Francisco und Seattle für zwei Wochen nach Hause geschickt. Dann hat man im virtuellen HiFi eine tropische Insel erstellt, auf der sich alle Mitarbeiter von zu Hause aus eingeloggt haben. Den gesamten Arbeitstag lang. Mit Kopfhörern, aber ohne VR-Brillen. Die HiFi Firma hat auf diesem Weg versucht, alle täglichen Arbeiten komplett virtuell zu koordinieren.

Quelle: High Fidelity Blog
Und dieses Experiment ist so gut gelaufen, was Produktivität und Kommunikation betrifft, dass man dieses Konzept nun als Startup für eine neue Anwendung von High Fidelity verwenden will. Philip und seine Mitarbeiter wollen einiges an Geld in dieses Konzept investieren und in HiFi einen virtuellen Arbeitsplatz für Teams schaffen, mit allen Tools und Schnittstellen, die man auch im RL nutzt.

Für die erste Phase konnte man auch schon einige Teams von anderen Firmen gewinnen, die sich an der Entwicklung beteiligen. Teilnehmen kann man nur über eine Einladung und bewerben kann man sich dazu hier.

Das bisher schon genutzte HiFi bleibt natürlich erhalten. Denn der Vorteil einer virtuellen Welt ist ja, dass man sich beliebig viele neue 3D-Räume schaffen kann, um darin etwas Neues anzufangen. Auch die Office Hours mit den vorhandenen Nutzern, sollen fortgesetzt werden.

Und ganz am Ende seines Berichts schreibt Philip dann, dass die Ausrichtung auf das neue Projekt nicht mehr die aktuelle Anzahl an Mitarbeitern erfordert. Und so müsse man sich von einem Viertel der Mitarbeiter trennen, was allerdings bei dieser kleinen Firma nur 20 Personen betrifft. Für die 20 ist es natürlich dennoch blöd. Vielleicht werden ja ein paar von anderen Plattform-Betreibern aufgenommen (z.B. von Linden Lab, SineSpace oder VRChat Inc.).

Dann verabschiedet sich Philip mit diesen beiden Sätzen:
Obwohl sich unser Weg zum Metaverse geändert hat, glauben wir nach wie vor an das Ziel. Ich bin allen, die uns auf dieser Reise gefolgt sind, zutiefst dankbar und freue mich darauf, in den kommenden Jahren unsere neuesten Kreationen zu präsentieren.

Für alle bisherigen HiFi-Nutzer, die jetzt sechs Jahre an Philips alten Traum geglaubt haben, dürfte das ein ziemlicher Downer gewesen sein.

Quelle: [HiFi-Blog] - Toward A Digital World

Links:

7 Kommentare:

  1. Autsch, auf dem Boden der Realität angekommen. Aber die Idee mit dem virtuellen Büro hat meiner Meinung nach Potential. Zunächst wäre es erst einmal interessant für kleinere Start-Ups, deren Mitarbeiter es schon gewohnt sind dezentral zu arbeiten und so auch Kosten für Büroräume etc. einsparen können. Der Beginn einer neuen Epoche in der Arbeitswelt.

    Im Kleinen anfangen. Schon jetzt könnte man mit SL sicher etliche Dienstreisen einsparen, in dem man sich virtuell trifft. Präsentationen, Media on Prim, Voice etc. bieten eigentlich alle Möglichkeiten eine virtuelle Besprechung abzuhalten, ohne dass ich Kosten und Zeit für An- und Abreise, für Hotels etc. aufwenden muss. Letztlich ist es auch im Sinne der Umwelt >>> weniger Verschmutzung durch Verkehr (z.B. Flugzeuge). Derzeit ist ein Hinderungsgrund, dass natürlich auch alle anderen Gesprächspartner ebenfalls in der gleichen virtuellen Welt präsent sein müssen. An der technischen Ausstattung dürfte es eigentlich nicht scheitern. Die Kosten hierfür hat man oft schon nach der ersten oder zweiten eingesparten Dienstreise wieder raus.

    Ich bin mir sicher, wenn erst mal das Potential hierin erkannt wird, geht es in diese Richtung.

    Übrigens, ich habe lange nichts mehr von Sine Space gehört. Wie geht es eigentlich da voran?

    Die Niki

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Im Grunde könnte man das, was Rosedale jetzt in High Fidelity machen will, auch in SL machen. In der Hype Zeit 2006 bis 2008, haben das ja auch viele Unternehmen versucht. IBM, Mercedes-Benz, Nike, usw.

      Das Problem damals wie heute war/ist die unzuverlässige Technik in SL. Zum Beispiel kein Login möglich wegen außerplanmäßiger Wartung, Voice fällt aus oder geht erst gar nicht, der Videostream auf Media on a Prim startet nicht, usw.. Allein die unzuverlässige Voice Funktion reicht schon, um SL für Konzerne uninteressant zu machen.

      Dazu kam dann in der Hype Zeit auch noch der Imageverlust durch schlechte Presse über fliegende Penisse, Kinderprostitution und Geldwäsche. Das hat sich ja leider bis heute in den Köpfen vieler Leute festgesetzt.

      In meiner Firma wird das gemacht, was Atlan weiter unten schon geschrieben hat. In eigens eingerichteten Videokonferenzräumen werden Meetings mit Teilnehmern aus der ganzen Welt abgehalten. Das ist aber kein altmodischer Konferenzraum, sondern wir haben motorgesteuerte Kameras mit Zoom-Funktion, ein digitales Dashboard, Video-Aufnahmefunktion für das gesamte Meeting, Textchat, Moderationsübernahme und noch einiges mehr.

      Alles zusammen wird auf dem Bildschirm jedes Teilnehmers in vielen kleinen Fenstern angezeigt und der kann dann nach belieben einzelne Fenster vergrößern, ausblenden, verschieben usw. Und das alles funktioniert so gut wie immer. Technische Probleme sind selten.

      Löschen
    2. fehlt es im secondlife nicht auch sehr an diskretion, zum geschäfts sachen bepsrechen. ich meine, in so einer welt, wo alles firma interne besprochene über firma fremde server läuft und dann auch noch der ganze benutzer generierte inhalt drum herum. man weiss ja nicht was da für scripte um ein herum sind. zum zum beipspiel der öffentliche chat abgreifen und weitersenden, also das geht mit zwie oder drei oder vier zeilen lsl.

      Löschen
    3. @Anonym:
      Für solche Fälle könnten Firmen ja eine Einzelregion (oder mehrere zusammenhängende Regionen) nutzen, auf die dann nur Mitarbeiter der Firma kommen. Und welche Skripte sich in den verwendeten Objekten auf der Region befinden, kann die Firma eigentlich auch relativ schnell überprüfen. Ich denke, dass sogar Linden Lab für eine Firmenausstattung alle wichtigen Skripte anbieten könnte. Denn vor vielen Jahren gab es ja auch mal ein Second Life Enterprise, wo Linden Lab fertige Business Regionen in einem eigenen Grid für viel Geld angeboten hat.

      Löschen
  2. Wo hat er da Geld her um solche Projekte zu finanzieren?
    Geldgeber wollen irgendwann auchmal wieder Geld sehen und nicht nur verblasende Träume finanzieren.

    @ Niki: Man braucht kein SL um Dienstreisen ein zu sparen, es gibt inzwischen in nahezu jedem größeren international agierendem Unternehmen
    Videokonferenzräume.
    Wir an der Uni nutzen sowas auch, ist ne tolle Sache und funzt besser wie eine virtuelle Welt.
    SL ist und bleibt eine Freizeitbeschäftigung und wird meiner Meinung nach nie für Industriebetriebe interessant.
    Gruß von Atlan

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das Geld hat er von Investoren, die das bereits für die Idee im Vorfeld gegeben haben. Zuletzt hat Philip im Juni 2018 einen Zuschuss von 35 Millionen Dollar bekommen (siehe hier: >> [High Fidelity] - Neue Investitionen, neue Einstellungen).

      Durch die jetzige Neuausrichtung wird er allerdings das Ansehen bei möglichen neuen Investoren eingebüßt haben. Ich bin gespannt, ob er in Zukunft noch mal solch hohe Summen bekommt. Vielleicht geben die Firmen, die jetzt in der Testphase dabei sind, ja etwas zu den Entwicklungskosten dazu.

      Löschen
  3. Anidusa Carolina13. Mai 2019 um 16:22

    Nun, ich vermute das alle die sich mit dem Thema VR beschäftigten, inzwischen einsehen müssen das der Hype sich im Sande verläuft. Es haben wohl zu wenige Menschen das Geld für einen entsprechenden Computer, eine gute VR Brille und zudem noch eine "körperverträglichkeit" des Gefühls wenn man eine auf hat.
    Das wird auch der Grund sein, aus dem Sansar scheitern wird. VR war ein Hype der inzwischen verblasst ist. Keiner braucht sie, keiner will sie........

    AntwortenLöschen