Quelle: Draxtor Despres / YouTube |
Dann dürfte diese Episode mit sechseinhalb Minuten das längste Porträt eines SL-Bewohners sein, das Draxtor bisher für die World Makers Reihe erstellt hat. Und zu guter Letzt durfte ich am Entstehungsprozess dieser Episode passiv teilhaben und so kann ich ein paar Informationen zusätzlich liefern, die im Video oder in der YouTube Beschreibung vielleicht nicht erwähnt werden.
Im realen Leben ist Bernhard Dörries Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur und Filmeditor. Mit Second Life begonnen hat er im zarten Alter von 80 Jahren als er sich 2008 unter dem Namen Bernhard McIntyre in SL anmeldete. Im Video sagt er, dass er zwar 88 Jahre alt sei, aber sich in Second Life wie 37 fühle. Und wie man etwas später auch sehen kann, war das nicht einfach so daher gesagt.
Bernhard am PC Quelle: Draxtor Despres |
Seine berufliche Laufbahn als Filmemacher, begann Bernhard bereits kurz nach dem zweiten Weltkrieg in den Ruinen von München. Damals waren es hauptsächlich Kurzfilme und Dokumentationen, die er mit eigener Kamera direkt in den Straßen der bayerischen Landeshauptstadt gefilmt hatte. Dabei hat er oft versucht, sich vom damaligen dokumentarischen Durchschnitt abzuheben, indem er eher experimentell an die Betrachtung eines Themas heranging.
Dazu gehörte unter anderem die Darstellung des moralischen Verfalls der gesellschaftlichen Oberschicht in Deutschland, genauso wie kritische Berichte über den Sinn eines geteilten Deutschlands im kalten Krieg. Ein weiteres zentrales Thema der Dokumentationen von Bernhard, war der Einfluss von Kolonialmächten auf die Kunst in den Ländern des mittleren Ostens im 20. Jahrhundert. Eine einstündige Doku von 1972, kann zu diesem Thema im YouTube-Kanal von Bernhard angesehen werden.
"Die neun Rebellen von Oberhausen" Film von 2014 mit Bernhard Dörries Quelle: Draxtor Despres |
Das Manifest beginnt mit den folgenden beiden Sätzen:
"Der Zusammenbruch des konventionellen deutschen Films entzieht einer von uns abgelehnten Geisteshaltung endlich den wirtschaftlichen Boden. Dadurch hat der neue Film die Chance lebendig zu werden..."Das Oberhausener Manifest sollte nicht nur die festgefahrenen Produktionsstile deutscher Filme aufbrechen, sondern auch die Filmemacher finanziell und ressourcentechnisch unabhängiger machen. Das hat nach vielen kontroversen Diskussionen und einigen Verhandlungen, im Jahr 1965 dann zur Einrichtung des "Kuratoriums junger deutscher Film" geführt und erste neue Filmprojekte wurden danach mit Fördermitteln finanziert. Im Grunde war also das Oberhausener Manifest die Geburtsstunde des Neuen Deutschen Films.
Zum 50-jährigen Jubiläum des Oberhausener Manifests, wurde 2012 diese Initiative noch einmal mit vielen Presseberichten und einer Ehrung auf den 58. Kurzfilmtagen in Oberhausen gewürdigt. Zudem gab es auf Arte eine Dokumentation mit dem Namen "Die Rebellen von Oberhausen" zu sehen. Dieser Film erhielt durchweg positive Kritiken, ist aber leider in keiner Online-Mediathek zu finden. Deshalb hier nur zwei Links zum Thema:
- [Spiegel] - 50 Jahre Oberhausener Manifest: Die ins blühende Beet pinkelten
- [critic.de] - Die Rebellen von Oberhausen
In einem der beiden Berichte sagt Edgar Reitz, mit dem Bernhard viele Filme zusammen produziert hat, dass vom Manifest vor allem junge Regisseure wie Rainer Werner Fassbinder oder Werner Herzog profitiert hätten, obwohl die gar nicht zur Oberhausener Gruppe gehörten. "Die sind durch die Tür gegangen, die wir aufgemacht haben", sagte Reitz nur kurz dazu.
Einige der Oberhausener Manifest Unterzeichner bei einer Doku-Premiere von Arte 2012. Bernhard ist der dritte von links. Quelle: critik.de |
Ab 1960 hat Bernhard auch für das öffentlich-rechtliche Fernsehen gearbeitet. Meist hat er Dokumentarfilme für den Bayerischen Rundfunk und das ZDF produziert. In seiner mehr als 60-jährigen Laufbahn, hat er insgesamt 129 Filme erstellt. Ausschnitte von einigen, sind auch in der Drax Files Episode zu sehen. Leider wurden die meisten dieser Dokus vom Bayerischen Rundfunk an eine Unterfirma lizenziert und die hat das Material in irgendeinem Archiv eingelagert, so dass es nicht so ohne Weiteres zugänglich ist.
Am Anfang der Episode erzählt Bernhard auch, dass er vor einiger Zeit bei einem Spaziergang am Strand die Kontrolle über seine Beine verloren hatte und nicht mehr laufen konnte. Seitdem ist er auf einen Rollstuhl und Vollzeitpflege angewiesen, was ihm gar nicht so gut gefällt. Im Video macht er das auch deutlich. Ebenfalls kurz zu sehen, ist Bernhards Pflegerin, die scheinbar mit Interesse verfolgt, was er in Second Life so macht.
Bernhards mediterranes Haus auf Stromboli in Second Life |
Die Kontakte in Second Life helfen Bernhard dabei, trotz seiner Pflegebedürftigkeit nicht isoliert Leben zu müssen. Neben seiner SL-Freundin, die wohl der Hauptgrund dafür ist, dass er sich wie 37 fühlt, trifft er sich auch regelmäßig mit einem kleinen, internationalen Freundeskreis zum gemeinsamen Gedankenaustausch, oder auch nur zum Relaxen. Bernhard sagt selbst, so etwa in der Mitte der Episode, dass er ein ganz anderer Mensch ist, seit er Second Life für sich entdeckt hat.
Es gibt auch eine kurze Szene, in der Bernhard mit Freundin zu den Nachbarn geht und am Lagerfeuer im Zelt liegt. Als ich Stromboli gestern kurz besucht habe, ist mir sofort aufgefallen, dass ich die Nachbarregion kenne. Es handelt sich um Wetlands, einem sehr nett gestalteten Sim, zu dem ich schon Anfang 2014 einen Simtipp geschrieben hatte.
Bernhard und sein Avatar in SL Quelle: Draxtor Despres |
"In einer Filmkulissen-Stadt wird ein Remake eines US-Endzeitfilmes gedreht.
Der Hauptdarsteller wacht, nach einer Drehpause, in einem der "Häuser" auf und erkennt dann, beim Umherwandern in der Filmcity, nach und nach, dass er offenbar der einzige Mensch noch auf dem Planeten ist.
Er irrt dann durch die verschiedenen Drehort-Kulissen des riesigen Filmstudio-Geländes, findet aber, ausser einem, unartikuliert brabbelnden Zombie keine Menschenseele mehr..."
Bernhards Region Stromboli bei Nacht |
Die Musik am Anfang stammt von Rael Wissdorf, der heute gelegentlich bei Lesungen und Events der Brennenden Buchstaben mitwirkt. Und wenn ich gerade bei Musik bin. In der World Makers Folge ist, neben der Musik von Draxtor, auch kurz die Violine von Hannelore Dörries zu hören.
An dieser Episode waren insgesamt eine Menge Leute beteiligt, die nicht direkt zu sehen sind. Wer sich dafür interessiert, sollte die Textbeschreibung auf YouTube lesen (letzter Abschnitt). Dort sind alle Namen aufgeführt.
Abschließen möchte ich mit einem Zitat aus Bernhards SL-Profil:
"Den Sinn erhält das Leben einzig durch die Liebe. Das heißt: Je mehr wir zu lieben und uns hinzugeben fähig sind, desto sinnvoller wird unser Leben."
Hermann Hesse
The Drax Files: World Makers [Episode 40: Bernhard Dörries]
Eine Übersetzung der YouTube Beschreibung, gibt es heute nicht an dieser Stelle. Dafür möchte ich mal aufzeigen, wie viel Arbeit sich Draxtor mit einer World Makers Episode macht. Das kann man sich beim Ansehen des fertigen Videos kaum vorstellen.
Es beginnt mit der Aufzeichnung von vielen Stunden RL-Interview, sowohl Audio als auch Video. Dann werden die SL-Szenen gedreht, für die im Vorfeld eigene Szenenbilder und Objekte erstellt oder besorgt wurden. Ebenso müssen Termine für den Dreh mit allen beteiligten SL-Bewohnern gemacht werden. Danach folgt eine erste Auswahl des später vermutlich verwendeten Materials für die Episode und eine erste Rohversion wird zusammengestellt.
Und dann geht die Arbeit erst richtig los. Zunächst muss die passende Musik für die ausgewählten Szenen gefunden und mit der schon vorhandenen Video- und Audiospur vereint werden. Dann werden die visuellen Übergänge zwischen den einzelnen Videosequenzen bzw. zwischen SL- und RL-Szenen ausgewählt und eingefügt.
Drax mit Bernhard in seinem Element |
Zum Schluss wird dann noch einmal alles in einer finalen Version harmonisiert. Und sollte etwas nicht passen, gegebenenfalls noch einmal Szenen ausgetauscht.
Bis zu diesem Punkt hat Drax (zumindest für dieses Video hier) insgesamt fünf Versionen der kompletten Episode erstellt und jedes mal auf YouTube hochgeladen. Da ich immer die Links zu den einzelnen Versionen erhalten habe, konnte ich diesen ganzen Prozess mal nahezu live miterleben. Und da kann ich nur sagen: Respekt!
Links zur Episode:
- The Drax Files: World Makers [Episode 40: Bernhard Dörries]
- Auf der Erde zurückzulassende Botschaft - SL Machinima von Bernhard Dörries
- Liste mit bekannten Filme von Bernhard Dörries
- Teleport zu Bernhards Region "Stromboli"
- Internationale Kurzfilmtage Oberhausen: Oberhausener Manifest
- [LL Blog] - The Drax Files: World Makers - Episode 40: Bernhard Dörries
Allgemeine Links:
"Manche Leute sagen "Bernhard Dörries.... was für ne Scheiße ist das denn?"
AntwortenLöschenDer Mann ist der Hammer :-D
bernhard tauchte irgendwann in einen seniorenforum auf und versuchten dort die "alten" etwas aufzumischen und bekam volle kanne die gischt selbst ab. aber er war derjenige der damals die diskussion zu sl angestachelt hat. nachdem ihm einige zu deutlich ihre meinung sagten, verschwand er wieder aus dem forum.
AntwortenLöschenGerade die wirklich guten und besonderen Menschen werden in Foren oft extrem mies behandelt
LöschenRael Wissdorf hat übrigens nicht nur den Titelsong gemacht, sondern den gesamten Soundtrack, der eine beträchtliche Länge aufweist. Bernhard selbst ist seit 15.1.2017 nicht mehr unter uns. RIP Bernhard, ich denke immer wieder mal an dich.
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